Es geht über die Landesgrenze nach Italien. Vor dem Überschreiten der Grenze haben wir uns schon lange davor Sorgen gemacht. Wir haben mehrmals die Achslast sowie das Gewicht auf der Kupplung kontrolliert und haben uns über die Richtlinien im Land eingelesen – wir dürfen mit unserem Anhänger auf der Autobahn z. B. nur 80 km/h fahren, in Österreich 100 km/h. Wir wissen, dass wir in Italien keine Vignette brauchen, sondern Maut zahlen. Und trotzdem sind wir aufgeregt als es soweit ist und wir uns der Grenze nähern. Doch der Übergang ist erstaunlich unkompliziert und schnell. Wir werden nicht aufgehalten, wir werden nicht kontrolliert. Und auf einmal sind alle Schilder auf Italienisch statt Deutsch. Wir sind in Italien!

Nach fast 2 Stunden Fahrzeit gibt es einen Wechsel – davor natürlich eine Trinkpause – und René fährt die letzten 45 Minuten zu unserer neuen Unterkunft. Diese ist etwas ganz Besonderes und etwas, das wir uns durch die Beschreibung online nicht vorstellen können. Wir übernachten nämlich in einem Ökodorf. Bei unserer Ankunft sehen wir die große Fabrik, in der früher zuerst Ziegel und später Stahl produziert wurde. Seit ca. 7 Jahren wird sie von 5 Bewohner*innen und jeweils 20-30 Freiwilligen renoviert und bewohnt. Auch das Gelände hat ein 2. Leben bekommen und dient heute als großzügige Anbaufläche für Obst, Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte.

Begrüßt werden wir von Zack, einem neugierigen jungen Kater, der schon bald auf unserem Arm gekuschelt wird und gar nicht mehr runter möchte. Jessy beobachtet argwöhnisch vom Inneren des Wohnwagens, dass Zack am Stockerl davor sitzt und offensichtlich hineingelassen werden möchte. Das „Fremdkuscheln“ passt unserer eifersüchtigen Prinzessin gar nicht, und sie fordert im Gegenzug extra Krauli-Einheiten ein. Timus, ein ausgewachsener Kater, plaudert am Weg zu den Sanitärräumen mit uns. Noch nie habe ich eine Katze so viel „sprechen“ gehört wie ihn.

Auch von den Menschen werden wir in Empfang genommen. Wir dürfen uns auf dem Parkplatz so hinstellen, wie wir wollen. Wir sind zu allen Mahlzeiten eingeladen. Es wird uns erklärt, dass die Fabrik mit möglichst natürlichen Materialien renoviert wird – nämlich Stroh, Lehm und Reishülsen. Auf dem Foto oben sieht man durch einen Glasrahmen das Stroh unter der Lehmschicht. Tatsächlich haben die so gebauten Wände einem großen Brand in diesem Jahr getrotzt, und somit ihre Robustheit unter Beweis gestellt. Und dann führt uns Debora, die Gründerin des kleinen „Dorfes“, noch zum Fluss, der nur wenige Meter von der Fabrik entfernt fließt. Dort gibt es an zwei Stellen Treppen, von denen man den Fluss betreten bzw. auch verlassen kann, und eine dritte, die zu einem Holzplateau führt, das herrlich warm unter der italienischen Sonne wird und nach dem eiskalten Bad im Wasser zum Sonnenbaden einlädt.

Das Sonnenbaden funktioniert die meiste Zeit, die wir hier verbringen, jedoch nicht so wirklich. Italien empfängt uns, anders als Kärnten, mit vielen auch sehr heftigen Gewittern. An kaum einem Tag können wir mit Sicherheit feststellen, ob es trocken bleiben wird oder nicht. Daher nutzen wir die kräftigen Sonnenstunden umso mehr, und verbringen sie bevorzugt am Fluss. Dieser Ort wird schnell unsere Ruhe-Oase. Lars kommt sehr leicht zur Ruhe, wir können uns erfrischen und entspannen. Gegen Ende unseres Aufenthaltes wagen wir sogar die große „Tour“, bei der wir ein gutes Stück (René schätzt ca. 300 m) flussaufwärts wandern und ohne Treppe ins kalte Nass steigen. Dann geht der Wellenritt los. Der Fluss ist nämlich voller starker Strömungen, die uns wie bei einer Rutschenfahrt im Schwimmbad nach links und rechts drücken, und mal schneller, mal langsamer vorwärts schieben. Der Fluss ist zwar recht breit, fließt jedoch durch ein Waldstück, sodass wir vor Baumstämmen im Wasser und herunterhängenden Ästen Acht nehmen müssen. Es ist also ein echter Abenteuer-Ritt, den wir mit ein paar Schrammen und blauen Flecken, aber vor allem einem breiten Grinsen, gut überstehen.

Wenn uns das Wetter nicht so freundlich gesonnen ist, verbringen wir die Zeit im Wohnwagen, wo wir kuscheln, spielen und essen, oder im großen Gemeinschaftsraum, in dem wir auch einmal für alle Bewohner*innen und Freiwillige fluffige Kokos-Muffins backen. Wir freunden uns schnell mit den Menschen hier an. Da sind Sarra und Evan mit ihrer 6 Monate alten Tochter Gioia, mit denen wir immer wieder „Playdates“ arrangieren und uns auch sonst super gut verstehen. Thomas, einer der fünf Bewohner*innen, gibt uns einen Rundgang durch die Anlage und zeigt uns die Projekte, an denen gerade gearbeitet wird. Carola, ebenfalls eine Bewohnerin, gibt uns Tipps für unsere Weiterreise. Am Klavier im Gemeinschaftsraum findet man oft Mia, die traumhafte Melodien spielt und dazu singt. Wenn die kleine Gioia einmal nicht bei ihren Eltern ist, sitzt sie mit Isaac auf der Couch – er mit einem Buch und sie ihrer Flasche in der Hand – oder hält auf Valentinas Schoß ein Nickerchen. Der 14-Jährige Torre, das einzig andere Kind hier, hat uns die lange Tour im Fluss gezeigt, und seine Eltern laden uns immer wieder zu kurzen, aber sehr freundlichen Gesprächen ein.

Kurz: Wir fühlen uns hier richtig wohl, und lernen auch viel dazu. Das Wasser z. B. aus der Küche und den Sanitäranlagen wird erst in ein Auffangbecken mit vielen verschiedenen Pflanzen, die es filtern, und dann in den Fluss geleitet. Daher können nur biologisch abbaubare Wasch-, Putzmittel und Shampoos verwendet werden, die hier aus fermentierten Orangenschalen gewonnen werden und zur freien Verfügung stehen. Da wir unser Grauwasser aber sowieso auch jederzeit entsorgen können wollen, haben wir bei unseren Produkten darauf bereits geachtet und können somit unsere Tanks sorglos entleeren. Dennoch ist es spannend zu sehen, was alles aus Fermentation gewonnen werden kann.

Wie geht es uns in diesen Tagen denn jetzt wirklich? Über unser Leben in den 8 Tagen hier habe ich bereits berichtet, aber wie geht es uns als Familie? Ganz ehrlich: Anfangs war es sehr schwer. Es ist ein ganz anderes Leben hier, als wir es gewohnt waren, und wir finden nicht sofort in einen Rhythmus. Sich an so etwas wie Essenszeiten halten oder viel Zeit in Gemeinschaft zu verbringen ist mit einem 3,5 Monate altem Baby und Hund gar nicht so einfach. Es dauert 3 Nächte bis Lars an diesem Stellplatz zur Ruhe kommt und wir alle wieder mindestens 7 Stunden Schlaf bekommen können. Das wechselhafte Wetter hilft nicht beim Kreieren von einer dringend benötigten Routine, sodass nur noch mehr Stress in unserer kleinen Familie entsteht, und René und ich am zweiten Tag sogar einen kurzen Streit haben. Doch Italien stellt uns nicht nur neuen Herausforderungen, es zeigt auch Lösungen auf, und nach drei Tagen formt sich langsam eine Routine für uns. Nach dem – immer besser werdenden – Schlaf wird meist nochmal im Bett gekuschelt und gespielt, bevor Lars ein weiteres Nickerchen braucht und wir anderen frühstücken können. Danach geht es je nach Wetter in den Gemeinschaftsraum oder direkt an den Fluss, bevor wir entweder selbst kochen oder mit den anderen essen. Nachmittags versuchen wir Zeitfenster zu schaffen, in denen René und ich auch Momente alleine haben können, und wenn es nur 15-30 Minuten sind. Wir gehen auch gerne kleine Runden im Wald hinter unserem Stellplatz spazieren oder erledigen Einkäufe. Und abends wird noch einmal mit dem Baby gespielt, gekocht und gegessen. Meist essen wir im Bett, weil Lars so gegen 19/20 Uhr schläft. Dann spielen wir noch eine Runde, oder sehen uns am Laptop etwas an, bevor auch wir versuchen, früh zu schlafen, um die Wachphasen in der Nacht gut zu überstehen. Mit einer Routine kehrt auch endlich Entspannung bei uns ein, und so beschließen wir schlussendlich unseren Aufenthalt von 7 auf 8 Nächte zu verlängern.
Wir machen keine großen Ausflüge. Wir fahren sogar nicht einmal, wie eigentlich geplant, ans Meer. Stattdessen finden wir hier in Gemeinschaft und der friedlichen Umgebung endlich zu Ruhe und Gelassenheit. Statt einem Tagesausflug mit viel Zeit im Auto planen wir stattdessen eine Nacht am Strand ein, bevor es weiter Richtung Süden geht.


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